Wissensvermittlung in der Psychotherapie
Wie Sie eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 90% erreichen
Psychotherapie ist auch Wissensvermittlung. Denken Sie an die Psychoedukation und an die vielen Gesprächseinheiten, die dazu dienen, dass Ihre Patienten über sich selbst oder äußere Einflüsse etwas lernen.
Erkenntnisse aus der Lernpsychologie können helfen, diese Wissensvermittlung effektiver zu gestalten. Denn es gibt unterschiedliche Arten der Informationsaufnahme: Hören, Lesen, Zusehen, Selber machen und manches davon in Kombination.
Selber machen statt Zuhören in der Psychotherapie
Die häufigste Informationsaufnahme in Psychotherapien ist das Zuhören durch die Patienten. Jedoch gilt dies nach dem Lesen als die zweitschwächste Informationsaufnahme. Bei nur 20% liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die gehörten Inhalte behalten werden (beim Lesen sind es lediglich 10%). Ein Behalten der Inhalte wäre aber wünschenswert. Denn viele dieser Informationen sollen ja helfen, in schwierigen Situationen ein neues Verhalten ausüben zu können. Oft handelt es sich dabei um belastende und emotionalisierende Situationen. Hier könnte die Wahrscheinlichkeit sogar noch weiter abnehmen, dass gelernte Inhalte abrufbar sind und das eigene Verhalten in eine gewünschte Richtung lenken.
Als effektivste Art der Informationsaufnahme gilt in der Lernpsychologie das Selber machen. Die Wahrscheinlichkeit des Behaltens wird hier mit 90% angegeben! Im schulischen Kontext führte diese Erkenntnis längst zu möglichst vielen interaktiven Einheiten statt nur Frontalunterricht. In Psychotherapien wird darauf selten Bedacht genommen. Abhilfe können allerdings auch hier interaktive Einheiten schaffen. Zum Beispiel Rollenspiele, Expositionen draußen in realen Situationen oder auch Expositionen in virtuellen Situationen mit einer VR-Brille bei sich in der Praxis oder im Behandlungsraum.
Mit VR-Brillen zu neuen Lernerfahrungen in der Angst- und Suchttherapie
Wenn Sie beispielsweise einer Patientin in der Psychoedukation erklären, dass es lediglich ein Symptom ist, dass man beim Blick in die Tiefe das Gefühl bekommt, man wird gleich hinunterstürzen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur bei 20%, dass die Patientin sich in ihrer nächsten Höhen-Situation daran erinnert und ruhig bleibt und diese Situation meistert. Wenn sie stattdessen diese Erfahrung selbst in einer VR-Brille macht, während sie langsam über ein Brett in großer Höhe balanciert, dabei stabil bleibt und souverän vor und zurück geht, dann steigt die Wahrscheinlichkeit auf 90%, dass ihre Alltagssituationen aufgrund dieser Lernerfahrung leichter gelingen.
Ähnliches gilt auch bei Suchtpatienten. Eine häufige Rückfall-Situation ist, dass man – einmal mit der Flasche an der Kasse – das Gefühl bekam, jetzt gibt es keinen Ausweg mehr, man muss jetzt dieses Produkt kaufen. In Gesprächen wird dann vermittelt, dass man sogar dann das Produkt noch zurückgeben darf, selbst wenn es schon gescannt wurde. Ihr Patient wird zustimmend nicken. Aber wie wäre es, wenn Sie ihn genau das mehrmals aktiv tun lassen? In einem therapeutischen Virtual Reality-Szenario, in dem er an der Supermarktkasse steht und die Flasche zurückgibt und zur Kassiererin sagt: Entschuldigung, das hier will ich doch nicht kaufen.
Auch hier könnte die Wahrscheinlichkeit auf 90% steigen, dass sich Ihr Patient in einer nächsten ähnlichen Alltagssituation daran erinnert.
Als weitere interessante Informationsaufnahme betrachten wir das Hören und Sehen in Kombination. Denn diese Informationsaufnahme findet in Gruppentherapien statt. Wenn unser VR-System in einer Alkoholgruppe eingesetzt wird, werden pro Einheit nur ein bis drei Patienten selbst die Lernerfahrung mit der VR-Brille machen. Die anderen Gruppenmitglieder verfolgen auf einer Leinwand, was der Patient in der VR-Brille sieht und dort macht. Beim Hören und Zusehen in Kombination steigt die Wahrscheinlichkeit des Behaltens auch auf beachtliche 50%.
Wenn die Therapien auf das Bestehen in schwierigen Situationen abzielen, spielt aus unserer Sicht das Erlernen von neuen Verhaltensweisen eine wesentliche Rolle und sollte durch interaktive Einheiten ergänzt werden.