Systematisches Review bestätigt breiten therapeutischen Nutzen von Virtual Reality

VR wirksam bei verschiedenen Missbrauchs- und Suchtformen

Substanzmissbrauch und Süchte stellen ein enormes medizinisches Problem dar. Das Bundesministerium für Gesundheit in Deutschland veröffentlicht, dass rund 12 Millionen Menschen rauchen, 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig und etwa 2,3 Millionen Menschen von Medikamenten abhängig sind. Einen problematischen Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen weisen rund 600.000 Menschen auf und 500.000 Menschen zeigen ein problematisches oder sogar pathologisches Glücksspielverhalten.

Die Therapie von Süchten ist aktuell unbefriedigend. Selbst in Ländern mit hohem Einkommen und sehr gutem Gesundheitssystem erfahren lediglich rund 7% der Menschen eine adäquate Behandlung. Hohe Rückfallquoten und chronische Beeinträchtigung der Lebensqualität kennzeichnen den besonderen Leidensdruck der Patienten.

Die Therapie mit Virtual Reality wurde bei einer Vielzahl psychiatrischer Indikationen erforscht, so bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Phobien oder gestörtem Essverhalten. Dazu gehört insbesondere die virtuelle Expositionstherapie (VET) sowie die virtuelle kognitive Verhaltenstherapie (virtual behavioral cognitive therapy VCBT) bei spezifischen und sozialen Phobien. Die Vorteile liegen auf der Hand: Fast unlimitiert und nach Belieben künstlich erschaffene Umgebungen können eingesetzt werden. Der Anwender kann mit Gegenständen und der Umgebung interagieren – und so unter Instruktion neue Reaktionen und Verhaltensweisen erlernen.

VR stellt auch einen hoffnungsvollen Ansatz für Suchtkranke dar. Für den therapeutischen Einsatz in der Suchtmedizin benötigt es eine einfache, aber ausgereifte Software sowie Daten zum Patientennutzen im Vergleich zu, oder in Kombination mit, konventionellen Therapieansätzen. Eine Analyse in der renommierten Fachzeitschrift Frontiers in Neuroscience beschäftigt sich mit der Frage, ob VR tatsächlich bei einer breiten Palette unterschiedlicher Süchte wirksam ist.

Insgesamt 471 wissenschaftliche Artikel wurden gescreent und 37 näher analysiert. Die Ergebnisse wurden nach Reaktionen auf virtuelle Reize und Behandlungserfolg unterteilt. Jedes einzelne Studienergebnis wurde Tabellen zusammengetragen und überblicksartig interpretiert.

Für alle Bereiche, nämlich Nikotin, Alkohol, Kokain, Cannabis, Glücksspiel und Internetspielsucht konnte gezeigt werden, dass Patient/innen auf virtuelle Reize mit gesteigertem Verlangen reagieren. Solche virtuellen Reize waren zum Beispiel Zigarettenschachteln, Alkoholflaschen oder Lotterieterminals, einfach, kombiniert und teilweise mit sozialem Druck durch Avatare. Zusammengefasst zeigen die Daten, dass die virtuelle Reizexposition in psychischer und körperlicher Hinsicht mit der von realen Reizen vergleichbar ist. Komplexe Reizzusammensetzungen und sozialer Druck durch Avatare könnten die Wirksamkeit hinsichtlich des Verlangens steigern. Insofern wäre eine stufenweise Steigerung der Exposition durch Kombinationen leicht herstellbar. Die Befunde unterstützen die prinzipielle Funktionalität des Ansatzes, Missbrauchs- und Suchtproblematiken mittels VET und VBCT zu behandeln.

Die in dem Review präsentierten Studien beschäftigten sich mit sehr unterschiedlichen Missbrauchs- und Suchtproblematiken in verschiedenen Umgebungen. Traditionelle Expositionstherapien sind schwierig, da Substanzkonfrontationen entweder von sozialen Situationen abgetrennt sind oder in vivo nur mit hohem Aufwand durchgeführt werden können. Diese methodischen Limits erschweren auch die Forschung hinsichtlich klarer Daten.

Mit VR können diese Einschränkungen durchbrochen werden, in dem eine virtuelle Immersion den Alltag und typische Situationen der Exposition simulieren. VET erweist sich als wirksam, um das Verlangen bei verschiedenen Reizen zu senken. Aversive Elemente genauso wie Copingstrategien der kognitiven Verhaltenstherapie könnten einen positiven therapeutischen Nutzen entfalten.

Die vielfältigen Themen und Reize genauso wie Interventionsprotokolle erschweren die Vergleichbarkeit der Daten. Außerdem ist die Anzahl der Studien teilweise noch gering. Weitere Untersuchungen sind daher wünschenswert, um die Konsistenz der Effekte zu unterstützen.

Der Review belegt, dass das Provozieren von Suchtdruck durch eine VR-basierte Exposition zu guten Ergebnissen führt. Zudem konnte in dieser Arbeit von Segawa et al. auch die grundsätzliche Wirksamkeit von VR-gestützter Suchttherapie gezeigt werden. Das Erlernen von Bewältigungsstrategien im virtuellen Raum wirkt sich positiv auf Suchtdruck und das Abstinenzverhalten aus. Insgesamt lässt sich daher schlussfolgern, dass VET und VCBT spannende Erweiterungen des Behandlungsrepertoires bei Missbrauch- und Suchterkrankungen darstellen.

Quelle:https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/sucht-und-drogen.html; Segawa T, Baudry T, Bourla A, Blanc JV, Peretti CS, Mouchabac S, Ferreri F. Virtual Reality (VR) in Assessment and Treatment of Addictive Disorders: A Systematic Review. Front Neurosci. 2020 Jan 10;13:1409. doi: 10.3389/fnins.2019.01409. PMID: 31998066; PMCID: PMC6965009. Hanshans, C & Faust, M & Bröll, L (2021). Virtual Reality als neues Werkzeug in der Suchtbehandlung. 1. 2021. 10.5281/zenodo.4774784.        

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