Suchtbehandlung mit Virtual Reality

Interview mit Mag. Dr. Oliver Scheibenbogen

Oliver Scheibenbogen ist Klinischer- und Gesundheitspsychologe. Im Anton Proksch Institut in Wien verantwortet er neben der Akademie auch die klinisch-psychologische Diagnostik und Behandlung.

Welches sind Ihre Schwerpunkte und wo setzen Sie VR ein?

Am Anton Proksch Institut, Europas größter Suchtklinik, verwenden wir VR in der Cue-Exposure- Therapie (VR-CET) bei alkoholabhängigen PatientInnen. Durch die Präsentation komplexer alkoholbezogener Reize bei gleichzeitiger Reaktionsverhinderung (kein Konsum) kommt es sukzessiv zur Extinktion der Assoziation zwischen Reiz und Reaktion und damit zu einer Verringerung des Verlangens (Craving) und der Rückfallgefahr.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit VR?

Nicht nur ein simpler optischer oder olfaktorischer Reiz, sondern auch komplexe soziale Situationen können in der VR-CET verwendet werden. Der/ die PatientIn wird nicht in die Rolle des reinen Beobachters gedrängt, vielmehr interagieren sie mit Avataren in typischen Alltagssituationen wie z.B. mit einem/r BarkeeperIn beim Besuch eines Lokals, mit Partygästen oder beim Einkauf im Supermarkt. Durch Zuprosten und Trinkaufforderungen steigt der soziale Druck (Bar, private Feier/ Party). Neu erlernte Copingstrategien können in einer der gewohnten Konsumumgebung sehr ähnlichen Situation und nicht in einer cravingreduzierenden Behandlungsumgebung (Suchtklinik) aktiv trainiert werden.

Welche Rolle spielt die Immersivität und welche Faktoren sind besonders wichtig?

Um nachhaltig therapeutisch wirksam zu sein, bedarf es eines intensiven Erlebnisses in der Therapie, bei der der/die PatientIn intensiv die eigenen Gefühle wahrnehmen kann. Erst in diesem Erleben liegt die Chance auf Veränderung. Die VR-Technologie sorgt für ein intensives Gefühl des Involviertseins PatientInnen haben tatsächlich das Gefühl räumlich in der virtuellen Umgebung präsent zu sein. Reizüberflutung (Flooding), d.h. sich dem Reiz in voller Intensität auszusetzen, ist in der Verhaltenstherapie der „Golden Standard“ mit der größten Wirksamkeit, der jedoch in der Behandlung oftmals aufgrund von Widerstandsphänomen der Betroffenen nicht umsetzbar ist. Die VR-Technologie hilft uns klinischen PsychologInnen und PsychotherapeutInnen dem intensiven Erlebnis in der Therapie deutlich näher zu kommen.

Sie sagten mal, das VR Coach smart sytsem wäre besser als Tomb Raider – was genau meinen Sie damit?

Wir haben einen Fragebogen vorgegeben, der den Grad der Immersion, des Eintauchens in die virtuelle Realität quantifizierbar macht. Die Ergebnisse sind beeindruckend: In zwei von drei Skalen (Involvement und erlebter Realismus des Igroup Presence Questionnaires) erzielten die PatientInnen höhere Werte als in der Normstichprobe der Tumb-Raider-Spielenden. Dies ist ein klares Zeichen, dass das Eintauchen in die suchtspezifischen Szenen sehr gut gelingt und die Betroffenen tatsächlich dort „ankommen“. NutzerInnen der VR-Brille zeigen unter Reizexposition ferner einen erhöhten Hautleitwert (ein Maß für die erhöhte allgemeine Aktivierung) und einen stärkeren Tremor aufgrund der sympathikotonen Übererregung. Sowohl die Ergebnisse des Fragebogens als auch die klinische Verhaltensbeobachtung unterstreichen den hohen Grad der Immersion.

Wie sehen Sie die Zukunft und Trends von VR?

Ich sehe in der VR-Technologie ein sehr hohes Potential. PatientInnen finden diese Art der Therapie sehr attraktiv, damit steigt auch die Adhärenz, denn Therapie scheitert oft an der Umsetzung, weil Betroffene sich ein Leben ohne Alkohol nicht zutrauen. Die VR-CET steigert den Glauben an die eigenen Fähigkeiten auch in Risikosituationen nicht auf das „alte (Problem-)Lösungsmittel“ Alkohol zurückgreifen zu müssen und steigert so die suchtmittelspezifische Selbstwirksamkeitserwartung.

Neben der Reizexposition sehe ich ferner auch Einsatzmöglichkeiten der VR-Technologie beim Erlernen imaginativer Verfahren. Das Eintauchen in andere Welten kann dabei als Zwischenschritt, als eine Art technologieunterstützte Visualisierungsübung gesehen werden. Es gibt eine Gruppe von PatientInnen, die sich beispielsweise mit der Vorstellung eines „Sicheren Ortes“ oder eines „Ortes der Ruhe und der Kraft“ sehr schwer tun und emotional kaum einen Zugang finden. Hier kann die Darbietung von z.B. einsamen Meeresbuchten helfen, diesen Prozess zu initiieren.

Wichtig ist mir beim Einsatz neuer Technologien im Allgemeinen, dass diese in enger Kooperation mit den klinischen Fachleuten entwickelt werden. Ein einfache „Digitalisierung“ bestehender Therapieverfahren ist meistens nicht zielführend und zum Scheitern verurteilt. Vielmehr bedarf es einer Neuentwicklung, bei der Forschung, klinische Erprobung und technische Umsetzung Hand in Hand gehen.

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